Band IV
In der Stadt, in der Ingerimm Efferd trotzt,
konnten selbst die Stürme der Zeit
die Spur des Steppenwolfs nicht verwischen.
Zerreißt den Schleier der Vergangenheit,
und ihr werdet eine silberne Flamme finden!
Sie ist der eine Schlüssel zu Orima der Allsehenden,
der ihr dereinst begegnen werdet.
Silberflamme
Der Blender oder der Foggwulf: Bei der vierten Aufgabe der Wettfahrt kann nur einer von beiden den Punkt erringen, gilt es doch, die Silberflamme zu erbeuten. Also eine Herausforderung, die einem Plünderer eher liegt als einem Entdecker? Aber bevor man den mythischen Gegenstand in Händen halten kann, muss man ihn erst einmal finden – und die Hinweise verbergen sich hinter dem Schleier, der die Vergangenheit von den Lebenden trennt.
Phileasson und Beorn folgen der Spur des Steppenwolfs. Sie bereisen ein Land der Wälder und der schroffen Berge, der Ritter und Burgen, doch auch der Trümmer und der Not. Vor wenigen Jahren erst wütete hier der Zug der tausend Oger. Die Menschenfresser hielten reiches Mal, sie zerstörten die Höfe und schleiften sogar Ysilia, die einstmals stolze Herzogenstadt. Kein Wunder, dass die Lebenden ihren Schmerz in die Nacht hinausschreien, wo die Toten keine Ruhe finden.
In diesen schweren Zeiten begegnet man Phileassons Ottajasko mit Misstrauen. Mehr als ein Dutzend berittene Bewaffnete ... das ist eine kleine Streitmacht, die mühelos mit einem Dorf fertig werden und auch eine Kleinstadt bedrohen könnte. So muss der Foggwulf mit Silber, mit gutem Zureden, mit Witz und Entschlossenheit das Vertrauen der Menschen gewinnen, um an die Hinweise zu kommen, die zur Silberflamme führen. Rätsel wollen gelöst werden, doch Klugheit allein reicht nicht, wenn der Gegner nur brutale Kraft respektiert.
Das weiß auch Beorn, der von Beginn an auf die direkte Methode setzt. Seine Axt lehrt jeden, dass es weniger Mühsal bringt, dem Mann mit der Augenklappe und dem Flügelhelm zu helfen, als ihn zu verärgern. Hat er nämlich, was er begehrt, zieht der Thorwaler mit seinen Gefährten weiter – und wer sieht ihn nicht lieber gehen als kommen?
Je weiter sich die Drachenführer der Silberflamme nähern, desto dichter werden die Hinweise, dass dieses Artefakt nicht bloß für die Wettfahrt von Bedeutung ist. Bereits in der Prophezeiung ist von Orima der Allsehenden die Rede, einer beinahe vergessenen Göttin der Hochelfen. Schon wieder befassen sich die Kapitäne mit dem Vermächtnis des untergegangenen Volkes. Schon wieder ... oder immer noch?
Die Silberflamme-Leserunde begab sich am 29. September 2017 auf die Suche.
Aus dem Schaffensprozess
Bernhard Hennen
Als ich vor einem Vierteljahrhundert an den Rollenspielabenteuern zur Phileasson-Saga gearbeitet habe, war Aventurien noch ein Kontinent mit vielen weißen Flecken. Da ich den bisherigen Weltenschöpfern und ihrem Werk nicht in die Quere kommen wollte, führt Phileassons Reise vor allem durch diese damals wenig bis gar nicht beschriebenen Regionen und schließlich sogar über die bekannte Welt hinaus.
Es hat Jahre gedauert, bis ich begriffen habe, wie viele Mitarbeiter der DSA-Redaktion ich damit verärgert habe, denn ich habe als Newcomer hemmungslos die freien Spielräume gefüllt, in denen auch andere noch gerne gewirkt hätten. Als Entschuldigung kann ich nur anführen: Ich habe es mit den besten Absichten getan.
Bei der Arbeit zu Silberflamme hat mich nun der Fluch der »bösen Tat« eingeholt. Gleich mehrere Generationen von Autoren haben mit der Phileasson-Saga gearbeitet. Helden und Schurken der Abenteuer lebten in der Geschichte Aventuriens fort, bekamen neue Hintergründe und Weggefährten. Und so war es mittlerweile zur unumstößlichen Tatsache geworden, dass eine der Weggefährtinnen Beorns Eilif »Donnerfaust« Sigridsdottir war, obwohl sie in den ursprünglichen Abenteuern gar nicht auftauchte. In der inzwischen vierten Queste war es höchste Zeit, sie in das Geschehen einzubinden, und ich gestehe, ich habe mich arg gesträubt. Letzten Endes ist es vor allem Robert zu verdanken, dass sie auftritt. Seinen Argumenten, eine geschlossene Weltenlogik zu bewahren, hatte ich letztlich nichts entgegenzusetzen. So sehr gesträubt habe ich mich, weil ich es schwierig finde, mir Figuren anderer Autoren anzueignen, um sie dann mit meiner Gedankenwelt zu verbinden und sie womöglich in eine falsche Richtung zu führen.
Als der Entschluss dann einmal gefasst war, entwickelte die Figur sehr schnell sehr viel Eigenleben. Ich glaube, wenige Leser werden den ersten Auftritt Eilifs wieder vergessen. Er ist schon sehr … wuchtig.
Einmal in Beorns Ottajasko angekommen fügte sie sich dann schnell in die schlagkräftige Truppe des Drachenführers ein, und gegen Ende des Romans wird auch geklärt, wie sie zu ihrem Ehrennamen »Donnerfaust« gekommen ist. (Nein, ich habe nur sehr wenig Karl May gelesen. Beeinflussung ist aber nicht auszuschließen. ☺)
Sehr viel Freude hatte ich an der Rückkehr Tjornes unter meine Fittiche, und gegen Ende des Romans habe ich auch nach einer anderen prominenten Figur meine gierigen Autorenkrallen ausgestreckt. Eine Szene, bei der es unter Lesern gewiss den einen oder anderen entsetzten Aufschrei geben wird, denn auch Verrat spielt in unserer Heldensaga eine große Rolle.
Robert Corvus
Eine der beliebtesten Interviewfragen, die mir gestellt werden, zielt darauf ab, woher ich meine Inspiration beziehe. Im Grunde kann ich hierauf nichts Falsches antworten: Spaziergänge, Alltagsbegegnungen, monotone Tätigkeiten, eine entspannende Dusche – mich kann die Muse immer und überall küssen. Bei der Phileasson-Saga spielen auch die Rückmeldungen der Fans eine wichtige Rolle. Hier sind insbesondere die Leserunden zu nennen, in denen wir uns intensiv über die Romane austauschen.
Aus den Diskussionen in einer solchen Leserunde gewann ich den Eindruck, es täte unserer Geschichte gut, die Figuren noch stärker in den Fokus zu rücken. Zur Dreiecks-Thematik Tylstyr – Zidaine – Tjorne etwa wünschte man sich mehr Austausch der Beteiligten und auch die eine oder andere Innensicht. Silberflamme adressiert dieses Motiv, und nach nochmaligem Studium der besagten Leserunde habe ich sogar noch eine ganze Szene speziell deswegen eingefügt (diejenige, die im Hotel Stoerrebrandt spielt).
Überhaupt war die Romantik durchaus ein wichtiges Element in Silberflamme. Da gibt es zwei Hitzköpfe, bei denen der Leser sicher sofort erkennt, dass sie einfach füreinander gemacht sind. Ob sie auch zueinanderfinden … da möchte ich der Lektüre nicht vorgreifen.
Ein anderer hat in Die Wölfin eine heimliche Liebe verloren. Auch seine Geschichte ist noch nicht zu Ende erzählt. Eine große Liebe hinterlässt ein zersplittertes Herz, und bis alle Teile eingesammelt und wieder zusammengefügt sind, mag eine erhebliche Zeitspanne vergehen. Auch davon berichtet Silberflamme. Ich gestehe: In diese Figur habe ich mich so tief hineinversetzt, dass bei der Szene im Tempel der Schönen Göttin meine Augen feucht wurden.
Handfester geht es zur Sache, wenn man von Menschenfressern schreibt. Gemeinhin gelten Oger als Gegner, die man bedenkenlos erschlagen darf, und dagegen ist auch schwer anzuschreiben. Warum auch? Eine Fantasywelt braucht Monster, die das Böse verkörpern. Dennoch wollte ich beim Erzählen dieser Geschichte wenigstens ein Minimum an Empathie auch für diese Figuren entwickeln. Nun finde ich Kannibalismus zwar genauso abstoßend wie jeder andere, aber wenn man lange genug sucht, entdeckt man doch tief darunter eine Sehnsucht, die wir alle kennen: Hunger. Das benennt auch der Hintergrund von Das schwarze Auge, wenn er die Oger beschreibt. Ihr »Sündenfall« fußt in unerträglichem Hunger, in unstillbarer, primitiver Gier. Ich hoffe, Leomaras Ausführungen im Roman helfen dabei, diese Figuren Tiefe zu geben.
Infolge eines Terminengpasses bei meinem Kollegen Bernhard kam ich dazu, auch den Prolog zu Silberflamme beizusteuern. Vorher hatten wir auf einer langen Autofahrt nach Ilmenau (und auf dem Rückweg am nächsten Tag) die Möglichkeiten diskutiert, Lailaths Geschichte interessant zu präsentieren. Immerhin greifen wir dabei Jahrhunderte in die Vergangenheit zurück. Mir gefielen die Ideen sehr gut, aber als es dann darum ging, dass ich diesen Prolog schreiben sollte, merkte ich, dass es eben nicht meine Ideen waren. Immer wieder wanderten meine Gedanken zu anderen Gegebenheiten, erschienen unpassende Dialogfetzen vor meinem geistigen Auge, bereiste ich andere Schauplätze. Ich entschied mich, das Risiko einzugehen und den Prolog auf meine eigene Weise zu erzählen. So ist er zu einer Geschichte zweier Geschwister und einer sehnsuchtsvollen Suche geworden.
Die Anhänge
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